Sie hat einst große Ablehnung erlebt, von Menschen, von denen sie dachte, dass sie sie niemals fallen lassen würden. Weil sie an die Familie geglaubt hatte und daran, dass jeder Mensch für seine eigenen Entscheidungen verantwortlich ist. Dass sie so sehr dafür gehasst werden würde, wäre ihr im Leben nicht eingefallen.
Es hat ihr gezeigt, dass man gerade zu denen, von denen man glaubt geliebt zu werden, niemals ehrlich sein kann und sollte. – Das war und ist die Lehre, die sie davon getragen hat.
Das will man nämlich nicht. Menschen möchten Lügen hören, damit sie das Bild, das sie von einem haben nicht zerrütten. Jede vermeintliche Liebe, war niemals bedingungslos. Also frage sie sich heute:
Kann Liebe bedingungslos sein? Sie wurde sofort geächtet. Hatte kein Mitspracherecht mehr, und wurde wie Dreck vor der Tür abgeladen…
Wie das kam? nun das ist der ANFANG:
Nun sitzen sie da alle, vier Frauen, zwei Männer und sie.
Es muss das Problem behoben werden, ein Problem, das sie sich eingehandelt hatte und das noch viele Folgen haben sollte.
Das Zimmer wirkte kleiner als sonst, sie weiß nicht, ob es an dem gedämpften gelb-warmen Licht lag oder ob ihr einfach die Situation mehr als unangenehm war.
Sie saß links neben ihrer drittältesten Schwester, daneben ihre Mutter auf diesem altblauen Sofa, den ihre fünftälteste Schwester aus ihrer ersten ehelichen Wohnung mit in ihr Haus genommen hatte. Die sechstälteste Schwester saß ihr gegenüber auf dem Boden, daneben ihre fünftälteste, die Viertälteste auf einem Stuhl. Der Mann der Fünftältesten saß neben ihrer Mutter auf einem Sessel, hinter ihm war das Fenster, man kann die Straße sehen und zum Nachbarn in die Einfahrt schauen. Der Mann der Viertältesten saß ebenfalls auf einem Stuhl. Der Mann der Sechstältesten war nicht da, ich glaube der war arbeiten oder so. Waren ohnehin zu viele, meiner Meinung nach auf dieser Party.
Es muss über das weitere Vorgehen abgestimmt werden. Wie sollen wir mit dieser Schande nun umgehen? Schlimm genug, dass sie in einem Alter von 20 Jahren noch nicht so weit war dem Ganzen Paroli zu bieten.
Einfach zu sagen: „Leckt mich doch alle mal am Arsch!“
Nein, sie unterzog sich dieser Prozedur. Immerhin hat sie ihre Unschuld verloren und wer, wenn nicht die ganze Familie sollte wissen, was gut für sie ist?
Sie sah in die Runde und merkte wie unwillkommen sie war.
Naja, so richtig konnte jedoch keiner sagen: „hey, das war ihre Entscheidung.“
Sie innerlich schon, aber wenn da sieben Menschen um einen sitzen, so schwer enttäuscht von einem und mit der Situation überfordert, dann ist man es irgendwie auch, auch wenn man selbst denkt, ‚Leute es ist nur ein Jungfernhäutchen‘ – und dieser existiert nicht mal nach wissenschaftlichen Erkenntnissen- ‚beruhigt euch wieder, ich habe niemandem den Kopf abgeschlagen!‘
Die fünftälteste Schwester gab ihr zu wissen, dass normalerweise Frauen in ihrem“Zustand“ für die Ehre getötet werden, nun sie kann dann ja dankbar sein, dass es nur dieser ekelerregende Zustand war, dass selbst die Ehemänner ihrer Schwestern, das Recht hatten über ihre sexuelle Selbstbestimmung ihren Mund aufzureißen. Darüber zu urteilen, was jetzt geschehen müsse und vor allem die ganze Familie für die weiteren Entscheidungen, diesem falschen Propheten gehorsam leisten mussten.
Immerhin war es ein gesamtfamiliäres Problem. Das hat es vorher nicht gegeben.
Und sie sah weiterhin in diese Runde und hörte nur zu. Sie hörte wie ihre Mutter sagte, dass sie ihr am liebsten einen Messer rein gerammt hätte, als sie das hörte, so schockiert war sie über diese Tatsache. Sie weiß nicht, was sie in dem Moment gedacht oder gefühlt hatte. Sie hat sie lediglich mit leeren Augen angeschaut und dachte sich zeitweilig, ‚warum hast du es nicht getan und mir das Ganze hier erspart?‘ -Immerhin stand sie ja tatsächlich mit einem Messer vor ihr, als sie ihr das erzählte, weil sie aufgedrückt bekam, es zu sagen, ansonsten würde es ihre Viertälteste Schwester tun. Dabei hatte sie es ihr im Vertrauen erzählt und das auf Nachfrage dieser Person und sie wusste nicht, warum es überhaupt jemanden zu interessieren hätte.
War es so leicht jemanden aus seinem Herzen zu verbannen, weil sie einfach sie ist? Anscheinend ja, sie hatten nicht wirklich gelernt ihre Individualität zu akzeptieren, geschweige denn zu wissen, dass es sie gibt.
Und sie konnte ihr (ihrer Mutter) einfach keinen Vorwurf machen, sie musste sich so verhalten, denn die Mehrheit hat anders gedacht – ihre Gemeinschaft (meine Schwestern und ihre Ehemänner) hat anders gedacht und wenn sie sich auf ihre Seite gestellt hätte, dann hätte sie den anderen Kindern indirekt eine Ohrfeige verpasst und würde implizieren, dass sie falsch liegen. Ihr war klar, dass das nicht geht und dass sie das nicht erwarten durfte. Aber es hat unheimlich weh getan. Wie ein Fehler behandelt zu werden.
Es wird ihr einfach zu viel und sie sucht einfach diesen Weg ins Badezimmer, am liebsten würde sie komplett weg, einfach nicht mehr da sein, diese Menschen da gar nicht erst kennen.
Sie hatte Gedanken wie: ‚wäre ich auf den Strich gegangen, würde ich dieses ganze Theater wirklich verstehen, aber das bin ich nicht. Und selbst dann wäre es meine Entscheidung gewesen, ich darf mit meinem Körper tun und lassen was ich will‘
Während der ganzen Zeit denkt sie, dass sie doch diese Entscheidung für sich getroffen habe. Und wenn es da was im jüngsten Gericht zu rechtfertigen gäbe, wäre es ihre Rechtfertigung. Aber laut konnte sie das nicht sagen, zu groß war die Angst, die Menschen, die sie wahrhaftig liebte, die sie aber offensichtlich nur liebten, wenn sie in das erwartete Bild passte, noch weiter zu enttäuschen.
Was sie auch merkte war, wie sie sich ihnen entfremdete. In ihr starb so viel an diesem Tag, so viel. Und sie begriff, sie muss härter sein. Immerhin habe sie Sünde über jeden einzelnen Kopf da gebracht. Das waren die Worte vom Ehemann der Schwester Nr. 5 – sie vermag es nicht ihn Schwager zu nennen, ehrlich gesagt sind es einfach nur arme Seelen, die in die Familie eingeheiratet haben und sich nun gottgleich fühlen.
Er sagte: „Jetzt, da wir das jetzt wissen, müssen wir alle im jüngsten Gericht für diese Sünde geradestehen“
Noch dümmer hätte man da wohl nicht argumentieren können. Da stand sie nun also, hat ihrer Familie den Weg zur Hölle geebnet. – In all dem Chaos in sich, dachte sie: „Naja, da ist’s wenigstens warm“ – An diesem Tag trennte sich ihr Bewusstsein, von allem was sie bisher kannte. Familie war doch nicht bedingungslose Liebe.
Der Grund allen Übels – Sie der Teufel in Person.
Sie konnte es nur noch besser machen, wenn sie einen Mann aus der Gemeinschaft gefunden hätte, der bereit ist, eine Frau in ihrem „Zustand“ zu heiraten. Sie war nun geschändete Ware. Ja, das war wohl das Gefühl, das man vermittelt hat. Sie war nichts mehr wert.
Die Einigung war, dass sie, wenn sie wollte, dass ihre Familie sie mag, mit ihrer Mutter und dem Mann ihrer Schwester (Nr. 5),
-ekelhaft sowas mit einem Mann ausmachen zu müssen, der einem selbst absolut nichts bedeutet –
und folglich auch ihrer Schwester zu dem Gelehrten gehen sollte, der ihr sagt, wie sie zu handeln hätte, um diese so große Sünde wieder wettzumachen.
Er sagte, sie müsse im Meer schwimmen, mehrmals ein Gebet aufsagen und die Sünde reinwaschen, als wenn das Jungfernhäutchen durch Plankton wieder zusammenwachsen würde. Darüber hinaus könne er jemanden finden, der jemanden wie sie heiratet. Eine Geschändete.
Welch eine große Tat für den Mann. Und sie müsse hoch und heilig versprechen es nie wieder zu tun.
Was er aber auch sagt und das war das Ausschlaggebenste: „Du darfst das nur machen, wenn du es aus Herzem machst, es muss von dir ausgehen und du musst daran glauben, ohne Zwang, denn Gott sieht dein Herz und dein Inneres und er wird wissen, wenn du das nicht aus freien Stücken machst“
Sie sagte, dass sie es sich durch den Kopf gehen lassen würde, wusste aber auch, dass sie selbst kein Problem mit ihrer eignen Entscheidung hatte und wenn Gott es doch eh weiß, warum dann nur um bei Menschen zu punkten etwas vorspielen?
Und der Anfang allen Übels war, dass sie lediglich eine Schwester (Nr. 4) gefragt hat: „Bist du eigentlich noch Jungfrau“ und sie darauf so ehrlich, wie sie nur konnte geantwortet hat. Im Nachgang fragte sie sich, ob sie das auch getan hätte, wenn sie all das vorhergesehen hätte?
Höchstwahrscheinlich nicht. Denn es verbreitete sich wie ein Lauffeuer und absolut jeder durfte an dem Thema teilhaben, über meinen Körper entscheiden und mich herabwürdigen. Am Schlimmsten, selbst ihre Ehemänner. Nur weil diese Menschen mit ihrem eigenen Leben nicht klarkamen musste sie dafür bezahlen.
Diese besagte „Schwester“ hat es nicht einmal ausgelassen immer zu stressen. Wenn sie ihren kranken Vater im Krankenhaus besuchen wollte, dann war das immer mit so viel Stress und Anschuldigungen verbunden, wie „Wenn meinem Vater was passiert, dann mach ich sie dafür verantwortlich“.
Madame hatte eigentlich ganz andere Probleme und wollte sie nur aus ihrem Leben haben, weil sie komische Gedankengänge hatte, die einer Schwester nicht würdig waren.
Ihr Gedanke war, sie muss es ja nicht von selbst erzählen, aber wenn man sie fragen sollte, belohne sie die Menschen mit gnadenloser Ehrlichkeit – es ist die Familie, die lügt man nicht an. blöd gedacht!!!
Weil sie dachte das Ehrlichkeit über allem stehen würde. Sie bekam zu spüren, dass es nicht so ist.
Was sie aber mit diesem Akt definitiv geschafft hatte, ist ihre Selbstbestimmung zu verteidigen, auch wenn sie einen hohen Preis dafür zahlen musste. Sie hat entschieden es zu tun und es war gut so. Sie war stolz darauf. Stolz, einfach den Weg in ihre Freiheit gemacht zu haben. Der innere Kampf jedoch, von der Familie nun so abgekoppelt und verhasst zu sein, sollte noch sehr dunkle Zeiten über sie bringen.
„Sie würden sich schon noch daran gewöhnen irgendwann.“ Ja, irgendwann!
Nur konnte sie lange nicht damit umgehen. Sie hatte Angst es zu sagen. Es ist wie, wenn sich ein Homosexueller / eine Homosexuelle vor einer intoleranten Umgebung outen möchte. Naja, so schlimm sie es gemacht hatte, sie konnte noch einen drauflegen. Die Tatsache, dass sie Atheistin ist und damit all die Dinge nur halbherzig gemacht hätte, weil die es so wollten und damit erst gar nicht, die Tipps zur Sündenbekämpfung vom Gelehrten ausführte, hat der ganzen Angelegenheit ganz schön viel Benzin ins Feuer gegossen.
Nachdem sie nicht diesen, ihr vorgeschlagenen Weg eingegangen ist, hat sich auch das Verhalten ihrer Schwestern geändert, es war nicht mehr okay, wie sie war und was sie war und die Tatsache, dass sie keinen Weg zur Besserung einschlug, war für die interne Kommunikation nicht gerade förderlich.
Und sie dachte: „Wenn ich doch eh alles verloren habe, dann kann ich auch ganz in die Kacke hauen“
Sie hielt nichts von angeblichen gottgegebenen Beziehungsstrukturen, wenn es denn den Harem geben kann warum sollen nicht Frauen auch einfach einen Harem haben können? Warum muss sie sich dem Einen treu ergeben? Warum sollte es nicht, wenn alle Seiten damit zufrieden sind, auch andere Möglichkeiten der Zusammenkunft geben?
Sie hat angefangen exzessiv Sex zu haben, vielleicht aus Trotz, vielleicht weil sie einfach nach Liebe lechzte, vielleicht aber auch, weil sie nie viel von Beziehungen gehalten hat, weil die, die ihr vorgelebt wurden nicht gerade die Paradebeispiele für funktionale Beziehungen waren, vielleicht auch, weil sie einfach freier dachte, es war ihre Art „frei“ zu sein.
Heute weiß sie, dass alles war Kompensation und der Versuch sich in einen Zustand zu begeben um das Erlebte zu validieren. Um vor ihren eigenen Augen ein Grund zu haben, sich selbst zu verachten.
Es war eh alles nun vorbei und zu verlieren hatte sie eh nichts mehr, sie musste nicht mehr aufpassen, ob sie ihren Schwestern oder der Familie gefällt – der Zug war abgefahren. Ihren Vater konnte sie trotz mehrfachen Versuchen nicht sehen, sofern er nicht im Krankenhaus lag.
Wie oft stand sie da, an diesem Ort und wurde vertröstet, dass er schlafen würde und man ihn nicht rausbringen könne. Dabei konnten Sie mit ihm fast überall hin. Selbst in Wohnungen, die im obersten Stockwerk waren. Das Begangene sollte eine Strafe bekommen und das war ihre.
Sie war das schwarze Schaf, so pechschwarz, dass man sie in der Nacht nicht mal mehr gesehen hat, so dunkel war sie.
In ihren Augen sind sie die Armen gewesen, die nicht aus ihrem Scheuklappen-denken rauskommen. Sie konnte sie nicht hassen. Sie hat trotz so vieler Wut, die sich in ihr angestaut hat, nicht das Gefühl von Hass gehabt, wenn sie an sie gedacht hat.
Mitleid.
Sie hatte Mitleid und Selbstvorwürfe, warum sie sie aus diesen Kreisen nicht rausbekomme darum hat sie sich selbst jahrelang nicht erlaubt glücklich zu sein. Obwohl sie die Jüngste war, fühlte sie sich für diese Schwestern verantwortlich, während die sie nicht mal mehr sahen.
Sie wollte das Leben mit ihren Schwestern zurück, als sie noch nicht verheiratet waren. Sie wollte die Zeit zurückdrehen und wollte ungeschehen machen, welchen Entscheidungen sie sich beugen mussten. Sie wollte, dass ihre Hölle aufhört.
Sie haben sich gänzlich von ihr – der Ungläubigen – distanziert.
Sie wurde zu keiner Entscheidung mehr mit eingeladen. Als es darum ging, wo ihr Vater, wohl der einzige Mensch, der sie wahrhaftig liebte, gepflegt werden sollte, durfte sie als Tochter dieses Mannes nicht mitreden. Sie durfte nicht zurückziehen, um ihn mit zu pflegen.
Nicht weil er es unterbunden hat, das war die Entscheidung der anderen. Diese anfangs benannte Runde. Sie durfte ihn nicht mehr besuchen, wenn er nicht im Krankenhaus war. Die Versuche es zu tun, blieben erfolglos. Weil der Druck erhöht werden sollte, das sollte also ihre Bestrafung sein, und ja, das war sie: „Dein Schwager will nicht, dass du in sein Haus kommst, es sei denn du fügst dich“ – und für sie kam es nicht in Frage eine Maske aufzusetzen, nur damit das Bild nach Außen gewahrt werden konnte, denn wie der Gelehrte sagte: Gott würde ihr Inneres sehen und nur darauf kam es an.
Ihre Meinung galt nicht mehr, ihre Gefühle und das was mit ihr passierte war egal, denn sie war gebrandmarkt und das war ihre Strafe. Keine Ausgrenzung der Welt fühlt sich so an wie diese. Aber auch das war okay, sie war wütend, aber nein, sie beugte sich dem nicht. Denn sie wollte nicht ausgelöscht werden, nur um ein wandelndes Wrack zu sein. Lügen kam für sie einfach nicht in Frage, um wieder akzeptiert zu werden. Dann war das ebenso.
Sie versuchte sie zu verstehen. Ich meine hätten sie das so widerstandslos hingenommen, dann hätten sie sich selbst eingestanden, dass ihre Welt auf Lügen aufgebaut ist. Das war nur verständlich, dennoch tat es weh. Ihnen hat es bestimmt auch weh getan oder es war ihnen einfach absolut egal, sie war geschändet und das war das Einzige was sie nun definierte.
Jedes Mal fragte sie sich, wissen die überhaupt, was sie da verteidigen oder warum?
Fraglich ist, ob die überhaupt wissen woran sie glauben.
Es wird ihnen vorgesagt, was Sache ist, und – nun das konnten sie schon immer – sie laufen wie Schafe mit. Selbst denken, war anderen Leuten vorbehalten, nämlich den Schlechten. DIE? DIE, das besondere Volk von Ahnungslosen.
Sie sollten keine Fragen stellen, sondern einfach alles so glauben, wie sie es aufgetischt bekommen. Hinterfragen? Nur bis zu einem bestimmten Punkt. Denn als Frau bekam man dann auch noch oft die Antwort:
„Das kann ich dir nicht sagen, wir dürfen das in dem Umfang den Frauen nicht erzählen.“
Denn als Frau ist man minderwertig.
Im Namen Gottes / Allahs oder Jahwes, ihr war egal, wie das Wesen heißt, worauf sie sich bezogen haben, aber sicherlich nicht dem Allmächtigen, denn dafür hätten sie sich anders verhalten müssen.
Hatte es weh getan? Gewiss, es hat weh getan! Und sie wusste, wie sie es wieder gut machen konnte, aber das wollte sie nicht. Sie wollte nicht ihre Selbstbestimmung aufgeben und wenn es hieß, dass sie nicht mitentscheiden durfte, dann war das halt ebenso. Ihr fehlte einfach jegliche Kraft und sie würde sich deswegen noch selbst zerstören.
Vor allem aber wollte sie nicht vorgeben etwas zu sein, was sie nicht ist. Sie wollte einfach keine Maske aufsetzen, obwohl sie den Ratschlag bekam, es zu tun.
Sie nahm es so hin mit dem Gedanken: ‚das passt schon so, du hast dich dafür entschieden und dann ist das okay.‘
Sie wurde als Mensch zweiter Klasse, ja eigentlich sogar klassenlos gesehen, im Grunde als Dreck, als nicht Teil der Familie.
Sie redete sich ein, dass das okay sei, immerhin war es ihre Entscheidung und ja, sie wiederholte es oft. Es hat ihr irgendwie gefallen, die Rolle der ausgegrenzten zu übernehmen. Sie wollte sich in der Rolle gefallen, denn eine andere Option hatte sie nicht. Sie hat nie und nirgends wirklich dazu gehören können, gedanklich. Sie fühlte sich nie angekommen. Weil ihr die Freiheit fehlte, das freie Denken, für manche radikal, aber bedingungslos frei und wo Freiheit ist, ist Selbstbestimmung, ist Verantwortung und sie dachte das Schwierigste von Allem, Integrität, egal in welcher Lebenslage und egal bei welcher Entscheidung, das Einzige was wirklich zählt, ist die Konfrontation mit dem eigenen ich.
Aber das alles ist okay, das Geschriebene ist nicht als Vorwurf gemeint, lediglich möchte ich ihren damaligen Gefühlszustand erklären, damals hat sie diese Bigotterie nicht verstanden, denn sie hatten für sie Gott verraten, in ihren Augen waren sie die Sündiger, da sie Gottes Aufgabe übernahmen.
Jene, die sagten „nur Gott kann richten“ haben gerichtet. Jene die sagten, „Urteile sind nur Gott vorbehalten“ haben geurteilt. Sie haben ihr alle Rechte genommen.
Die Annahme war, dass man alles machen kann, Hauptsache man steht nicht dazu. Hauptsache es passiert hinter verschlossenen Türen. Es ist dann für jeden einfacher damit umzugehen. Du kannst vögeln wen du willst, aber heiraten solltest du, um diese Tatsache unterm Teppich kehren zu können.
Leider gibt es zu viele junge Frauen, die sich dem beugen. Sie lassen Jungfernhäutchen nachnähen, weil sie wissen, dass ihre Familien sie ächten würden. Schwierig sich abzunabeln, es ist wohl das Schmerzhafteste was es für einen emotionalen Menschen geben kann, der seine Familie (nur die Schwestern und die Eltern) als Höchstes gesehen hat.
Und sie fing an ihre Emotionen zu begraben, sie hat damals nie geglaubt, dass ihre Familie sie so versteinern könnte, aber sie wurde eines Besseren belehrt.
Der Schmerz hält bis heute an. Und wenn sie ihre Schwestern sieht, dann sieht sie nur Schmerz. Komisch, dass jetzt wo der Druck weg ist, ihr Vater verstorben ist, auf einmal Versöhnung angestrebt wird.
Sie erinnert sich an diese Ungerechtigkeit, dieses Trauma und all die Entscheidungen, die sie darauffolgend traf. Keine Frage, alle in ihrer eigenen Verantwortung.
– denn für das was man über ihren Kopf hinweg entschieden hat, will heute keiner Verantwortung übernehmen. Heute ist sich niemand mehr irgendeiner Schuld bewusst.
Nur dahin geklatschte halbherzige Entschuldigungen, die nicht ansatzweise, das gut machen können, was passiert ist.
Es war auch ihre Entscheidung, also ihre Schuld, sie hätte sich ja einfach fügen müssen.
Egal wie sehr sie diese Menschen liebte, ihre gewonnene Freiheit durfte ihr keiner mehr nehmen. Sie sollten lernen, sie wahrhaftig zu lieben. Auch das sollte künftig ein Weg der besonderen Lehre werden.
Sie hat die miesesten Entscheidungen getroffen, die ein Mensch treffen kann. Sicher würde sie heute, wenn sie ihren Kopf von heute damals hätte, anders handeln, aber das hat sie nicht und es ist okay.
Sicher weiß sie, welch ein Ohnmachtsgefühl bei einem Menschen aufkommt, wenn er absolut verlassen ist, nicht verstanden von der Welt. Und lebend gestorben ist.
Sie empfand das nicht mehr als Kampf, denn Tote kämpfen nicht, sie hatte ihre Gefühle nun einfach nur noch so tief begraben, das wenn sie hochkamen, eine Katastrophe die andere jagte.
Ein Mensch, der emotional niedergeschmettert ist, ja nicht mehr existiert, der nur noch aus seiner Hülle besteht, hält sich an jedem Grashalm fest, um nicht im Sumpf zu ersticken. Nimmt jede Gesellschaft an, um daran nicht zu zerbrechen. Wissentlich, dass der Grashalm ihn nicht retten wird, wissentlich, dass dieser sogar mehr Schaden anrichten kann, aber man tut es einfach, weil man keine andere Möglichkeit sieht. Und sicher weiß sie, dass all diese Erlebnisse, am Ende, doch das Resultat ihrer getroffenen Entscheidungen war.
Sie hat sich in der Welt von bewusstseinserweiternden Substanzen wiedergefunden. Ja, eine Zeit lang war es sogar die einzige Möglichkeit Gefühle zu erfahren. Sie war abgestumpft, komplett. Was sie aber sehr gut konnte war, sich in der Welt der Anderen so zu integrieren, dass ihre Gefühlslosigkeit niemandem auffiel. Im Gegenteil, sie war die, die jedem die Sonne mitbrachte nur sich selbst nicht. Sie dachte, dass sie damit klarkommen würde. Sie wollte ihre Probleme nicht mehr sehen.
Aber je meht dir konsumierte, desto mehr änderte sich ihr Charakter, ja sie hat auch Dinge getan, die nicht in Ordnung waren. So erfand sie Geschichten bezüglich ihrer Gesundheit, um ihre Mutter dazu zu bringen, sie zu sich zu rufen, aber das geschah nicht.
Sie log Menschen an, die ihr wohlgesonnen waren und hat letzlich auch das Vertrauen dieser Menschen verloren.
Zurecht.
Weder vor dem Konsum hätte sie jemals gedacht so ein Mensch zu werdern, noch danach nach dem Sie aus 4 Jahren Dauerkonsum wieder endlich Mal einen richtigen Schritt machte und sich von all diesen Gewohnheiten löste. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Sie war kein guter Mensch mehr. Bis heute nagt diese Tatsache an ihr und dass die enttäuschten Menschen, sie nicht mehr an sich ran ließen, war eine schmerzliche Erfahrung durch die sie musste. Und wahrscheinlich war das auch nötig.
So sehr ihr all diese Dinge immernoch Leid tun, musste sie irgendwann lernen sich selbst zu verzeihen und mit diesem Fehler zu leben. Welche Geschichten noch verdreht wurden, um Sie nach ihrer Herz OP als Hauptverantwortlicher für alles hinzustellen, ist ihr nicht bewusst. Aber das ist okay, ein jeder versucht wahrscheinlich immer erst mal die eigenen Interessen zu wahren. Sie hat die Dinge, die sie an den Kopf geworfen bekam, allesamt akzeptiert und nahm schließlich ALLES auf sich, weil ihr einfach die Kraft fehlte noch irgendwas zu verteidigen. Sie hat verdient was sie bekam.
Das Umfeld auf das sie sich einließ, war ein Umfeld, in dem sie dachte, dass sie genau das verdient hätte. Ein Umfeld, das sich fast permanent mit Lügen aufrecht erhält. Ein Umfeld, von dem sie dachte, da würde sie niemals mehr rauskommen.
Aber wie kann man das jemals jemandem erklären?
Ursprünglich wollte sie doch nur studieren, dieses Erlebte jedoch, was mit mehreren Therapieanläufen versucht wurde aus der Welt zu schaffen, ließ sich einfach nicht weg therapieren.
Sie war zu weich, zu naiv, zu gutgläubig.
Sie hatte sich überschätzt, dachte sie kann über allem stehen und derm war nicht so.
Die Lügen hätten nicht sein dürfen.
Egal aus welchem Grund, wahrscheinlich wusste sie selbst nicht, was sie sich davon erhoffte. Vermutlich ist es aber der strikte Cut gewesen, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Sie hatte nicht erwartet in so ein emotionalen Strudel zu verfallen, wenn sie angefeindet würde. Aber es war die Familie. Ihre Schwestern, sie konnte einfach trotz allem nicht aufhören, denn das einzig was ihr blieb, war der Schmerz, an dem sie sich festhielt.
Drogen können einen zu einem ganz anderen Menschen machen…
Es fiel ihr schwer sich einzugestehen, dass der Verlust der Famlie ihre wohl größte Wunde war und dass ihr das den Boden unter den Füßen wegriss. Nein, sie wollte richtige Probleme haben, Probleme, die es Wert sind, Problem genannt zu werden.
Sie hatte so viele kennen gelernt, die mit ihrer Familie abgeschlossen hatten und fragte sich, wie sie das meistern, wie können die das?
Um ihnen (der eigenen Familie) noch mehr Grund zu geben sie zu hassen, hat sie sie wissen lassen, dass sie einen Freund aus einem anderen Kulturkreis hat. Sie wollte mal so richtig tief sinken, damit sie ihre Berechtigung bekommen sie zu verabscheuen. Wenn sie es nicht schon taten. Vielleicht war es auch ein Akt, sich selbst zu hassen. Vielleicht ging es so einfacher.
Also verlor sie sich in dem Zauber der Schwerelosigkeit und ihr war alles und jeder egal, sie hatte nichts und wollte auch nichts mehr. Sie wollte auf dieser Schwerelosigkeit ihrem Ende entgegenfliegen. Sie hat sich nie etwas angetan oder hat es bewusst beendet, aber wenn es endlich vorbei wäre, das Leben voller Sehnsucht nach Erfüllung, hätte sie auch nichts dagegen gehabt.
Das Ende war nur das wonach sie sich sehnte. Sie hatte keine Probleme draußen von Leuten nicht akzeptiert zu werden, im Nachgang betrachtet, war ihr größtes und einziges Problem, dass sie die eigene Familie nicht so akzeptieren konnte wie sie ist, nicht als Menschen respektieren konnte.
Sie konnten jeden so akzeptieren und respektieren, nur bei ihr hatten sie sehr große Probleme damit. Sei verstand das nicht. Ständig fragte sie sich: „warum???? Warum geht das bei allem, aber bei mir nicht?“
Leute mit denen sie darüber redete sagten: „vielleicht weil du einfach niemanden hast, der zu dir steht. Es ist einfach einen Menschen, der sich nur auf sich selbst verlässt, versuchen schlecht zu machen.“
Während sie mitten im Konsum war, fasste sie der Mut und sie ging ihren Vater besuchen. Wohlwissend, dass sie das einmalig tut, denn nicht nochmal würde sie im nicht cleanen Zustand ihren Vater sehen. Sie war zu dem Zeitpunkt mitten im Konsum und er war der Letzte, der es verdiente sie so zu sehen, denn er hat nichts davon mitentschieden. Das hatte er nicht verdient.
Inzwischen hat die junge Frau von damals, die all das nicht verstanden hat, ihren Weg gefunden, damit mehr oder weniger umzugehen. Es musste extrem sein, der Sex, die Drogen, ja im Grunde alles, denn all das machte ihr klar, dass sie noch lebte. Vielleicht nicht unter optimalen Umständen, aber sie lebte.
Und sie kämpfte in ihrem eigenen Zwiespalt einfach loszulassen und doch zu kämpfen, so wirklich wert war es einfach nicht mehr zu kämpfen. Diese endlose und erschöpfende Suche nach einem Sinn. Sich selbst so verachtend, konnte sie nicht wissen, dass sie Grund genug ist, all diese Kämpfe auf sich zu nehmen. Sie sagte es sich immer selbst, aber sie glaubte nicht daran. Denn die Menschen, die 20 Jahre lang ihre Identität geprägt hatten, sahen sie nicht mehr. Sich das mal bewusst zu machen, kostet so viel Zeit und Nerven und oft hat man einfach keine Ausdauer mehr. Sie rannte und rannte und rannte endlos, aber sie sah den Weg nicht. Es war ein Rennen ohne Ende…
…bis endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen war…
Schreibe einen Kommentar